auf der kulturellen Landpartie im Wendland ist alles erlaubt

 
17. 05. 2016

Westenmacher

Bauarbeiter- oder Zimmermannshosen – auch von Frauen getragen - sieht man auf der kulturellen Landpartie häufiger. Oft sind die Haare der vorbeilaufenden Besucherinnen und Besucher leicht verfilzt, überhaupt scheint Filz hier eines der beliebtesten Materialien zu sein. Egal ob Taschen, Röcke, Oberteile oder Wärmflaschenhüllen: Wer auf Filz steht wird hier fündig. Garantiert.

Und auch wer einfach nur ein bisschen plaudern möchte, sei es über die desolaten politischen Verhältnisse, über die große weite Welt oder tatsächlich über die jeweiligen Ausstellungsstücke, die teilweise keinen Festpreis haben sondern sich nach dem Stundenlohn der Käufer richten, kommt hier auf seine Kosten.

Es sind die Geschichten hinter den Ausstellerköpfen, die der kulturellen Landpartie im Wendland ihren besonderen Charme verleihen und die mich interessieren. Da trifft man beispielsweise auf den Polizisten, der heute in Spanien Olivenbäume anbaut, um aus den Stämmen extravagante Holzmöbel zu machen. „Ach, das wäre ja vielleicht auch etwas für mich“, huscht es mir innerhalb einer Millisekunde durch den Kopf. Und auch der junge Hausmeister ist ein Unikum: Vor ihm steht eine Libelle auf dem Tresen, die mit leicht abgehackten Bewegungen ihre Flügel nach oben und unten bewegt – zusammengelötet aus zerlegten Laptopteilen, Handys oder sonstigen Elektrogeräten. „Wieviel kostet die denn“ fragt ein interessierter Mitfünfziger und schielt dabei vielleicht auch ein wenig auf das linke Ohrläppchen des Verkäufers, das eigentlich nicht mehr vorhanden ist, weil ein Zeigerfingernagelgroßes Loch samt Metallring es nun „ziert“. „Na was würden Sie denn zahlen? Eigentlich verkaufe ich meine Sachen nicht“, antwortet der aus Berlin angereiste Aussteller, der seine skurrilen Dinge eigentlich nur präsentieren möchte – die Freude an seinem Hobby teilt er eben gerne mit anderen.

Die Zeiten der Wunder-r-punkte, wie sich die Ausstellung einst nannte, sind zumindest vorbei. Denn verwunderlich ist hier eigentlich kaum noch etwas. Eigenbrödler, Aussteiger, ab und an auch ein Paar Schickimickis: Sie alle treffen sich hier, laufen aneinander vorbei oder kommen ins Gespräch. Alles ist möglich, keine Vita ist verwunderlich und noch weniger sind es die kommerziell gewordenen Ausstellungsstücke. Warum auch? Mir genügt es zu sehen, wie die Welten aufeinander prallen und sich wieder trennen, wie sich die Horizonte am Ende doch ein wenig erweitern – darunter auch der eigene. Und schließlich ist es das unterschwellige Gefühl „alles ist möglich – Du musst es nur machen“, das einem am Ende der kulturellen Landpartie noch ein wenig hinterher weht…

Sibylle Meyer-Bretschneider